Online-Händler stehen jeden Tag vor Entscheidungen. Wie optimiere ich meinen Shop, so dass mehr Besucher kaufen? Wie kann ich meine Liefererfahrung bestmöglich gestalten? Was ist meinen Kunden wirklich wichtig? Was macht meine Konkurrenz und wie kann ich mich davon absetzen?

Pakete auf Smartphone
VitalikRadko / Depositphotos.com

Dieser Leitfaden soll helfen, fundierte Entscheidungen für den Erfolg von Online-Shops zu treffen. Die Erkenntnisse beruhen auf den Ergebnissen der parcelLab Versandhandelsstudie 2023.  Die Post Purchase Experience der Top 100 Online-Händler aus 2022 wurde in dieser auf den Prüfstand gestellt. Was machen die Top 100 Player auf dem Markt anders und wieso sind sie erfolgreich?

Paketdienstleister und Lieferoption

Multi-Carrier-Option

Heutzutage möchten E-Commerce-Kunden mitentscheiden. Sie erwarten eine Auswahl unterschiedlicher Versandoptionen und Paketdienstleister im Checkout. 

  • 64,1% bieten 1 bis 4 Carrier im Checkout an
  • 42,8% bieten 1 bis 2 Carrier im Checkout an

Der Vorteil, nur einen oder wenige Carrier anzubieten, ist die Bündelung des Sendungsvolumens auf einen oder wenige Dienstleister. So haben Online-Händler eine bessere Position, wenn es in die Preisverhandlung geht. Heutzutage gibt es die Möglichkeit, den Versand an einen Fulfillment Dienstleister auszulagern und von einem Angebot von verschiedenen Transportdienstleistern und Sonderkonditionen zu profitieren. Die Versandkonditionen werden gemäß dem Sendungsvolumen des gesamten Fulfillment Standorts verhandelt. Das ermöglicht es Händlern, mehrere Carrier anzubieten und gleichzeitig die Kosten niedrig zu halten. Der optimale Weg ist es, 3 Carrier im Standardversand anzubieten – bspw. DHL, GLS & UPS. Die 4. Option wäre eine Next-Day Zustellung bzw. Expressversand.

Expressversand

Der größte Entscheider, ob der Kunde kauft oder eben nicht, ist die Versandlaufzeit. 

Gerade in den letzten Jahren wurde der Maßstab einer schnellen Lieferung immer höher bzw. kürzer gesteckt. Online-Händler konkurrieren mit großen Marktplätzen, die teilweise Same-Day Delivery oder Next-Day Delivery anbieten. Während Same-Day Delivery zurzeit nicht unbedingt erforderlich ist, wünschen sich 11 % der UserInnen immer und 48 % manchmal Expresszustellung (24 - 48h) (parcelLab Verbraucherstudie 2020).

Nur vier von zehn der Top-Online-Händler bieten einen Expressversand an, obwohl diese Option von dem Großteil der Kundschaft gewünscht ist. Man ist dementsprechend bereits besser als 60% der Top-Online-Händler, wenn eine Expressversandoption im Shop angeboten wird. Doch für welchen Aufpreis sollte die 1-Tages-Lieferung angeboten werden?

Versandkosten

Expressversand

Nur rund 40% der Top-Online-Händler bieten Expressversand in ihrem Shop an. Sie verlangen hierfür einen deutlichen Aufpreis. Die Kosten schwanken zwischen 4,99€ und 19,99€.

Sofern Online-Händler eine Expressversandoption anbieten, welche günstiger als 4,99€ ist, können sie eine günstigere Next-Day Zustelloption als mindestens 85,7% der Top-Online-Händler anbieten. Doch wie erklärt sich, dass es solche Unterschiede im Pricing gibt? 

Der klassische Expressversand ist vergleichsweise teuer. Für DHL Express bezahlt man mit einem mittelgroßen Sendungsvolumen bspw. zwischen 11 und 12€. Einige Händler legen also beim Expressversand drauf, um ihren Kunden diese Option für einen möglichst günstigen Preis anzubieten, mit dem Ziel, ihre Conversionrate zu erhöhen und so die hohen Versandkosten zu amortisieren. 

Standardversand und Mindestbestellwerte für kostenlosen Versand

Die Höhe der Kosten im Standardversand kann das Zünglein auf der Waage sein, ob der Kunde letztendlich kauft oder sich dagegen entscheidet. Daher ist es essentiell, eine möglichst optimale Preisstrategie für Standardversand zu verfolgen.

Bis auf 5,6% verlangen die Top-Online-Händler einen Obolus für den Versand – zumindest bis zu einem bestimmten Bestellwert. Der Löwenanteil berechnet einen Basispreis für den Standardversand von mindestens 2,00€, jedoch eher über 4,00€. 

Ein bekannter Hebel, um Kunden zu reizen, mehr zu bestellen, ist es, einen Mindestbestellwert (MOV bzw. Minimum Order Value) für Gratisversand festzulegen:

  • 49,5% der Online-Händler bieten Gratisversand ab einem bestimmten MOV
  • 44,9% berechnen immer Versandkosten

Das optimale Gleichgewicht hinsichtlich der Preisstrategie ist es, den Standardversand mit einem Basispreis von 1,99€ zu berechnen – damit ist man günstiger als 91% der Top-Onlinehändler – und ab einem Bestellwert von über 29,99€ den Versand kostenlos anzubieten. Nur 22,5% der Top-Online-Händler bieten ihren Standardversand über 29,99€ kostenfrei an. Doch ist der Preis nicht der einzige Entscheidungsfaktor im Versand. Heutzutage ist es wichtiger denn je, die Zustellzeiten klar zu kommunizieren.

Lieferzeit und Lieferprognose

Kunden ist es heutzutage besonders wichtig, dass ihre Bestellung schnellstmöglich, am besten am darauffolgenden Tag, ankommt. Dennoch liegt die durchschnittliche Lieferzeit bei den Top 100 Online-Händlern bei 2,7 Werktagen. Nur 7,1% der geprüften Online-Händler haben die Bestellung innerhalb eines  Werktages zugestellt.

76,5% der Händler siedeln sich bei einer Lieferzeit von 2 bis 3 Werktagen an. Selbst bei einem taggleichen Versand erreichen Online-Händler, ohne weitere Optimierungen, im Standardversand dementsprechend mittelmäßige Zustellzeiten. Der signifikante Schwellenwert ist 1 Tag schneller zu sein als die Konkurrenz. Wenn eine zuverlässige Next-Day-Zustellung angeboten wird, gehört man zu den 7,1%. 

Doch nicht nur die Zustellgeschwindigkeit, sondern auch die Kommunikation eines Liefertages oder Lieferzeitraums führt zu höheren Conversionraten und weniger Frust nach dem Kauf.

Eine transparente Darstellung der Lieferzeiten setzt den Ton sowie die Erwartungshaltung der gesamten weiteren Kundenkommunikation fest.

Nicht mal jeder dritte Top 100 Online-Händler gibt ein konkretes Lieferdatum an – obwohl es der größte E-Commerce Player Amazon vorlebt und wir uns nur daran orientieren müssten. Hier eröffnet sich eine weitere Möglichkeit besser, als der Wettbewerb zu sein: Ein konkretes Lieferdatum, und dieses sollte am besten am darauffolgenden Werktag sein!

5 einfache Tipps, um das Kundenerlebnis zu verbessern

Auswahl der Versandart

Knapp 70% der Top-Online-Händler verpacken in Versandkartons und verschicken die Bestellung als Paket. Je nachdem, wie groß das Produkt ist, gibt es alternativ die Möglichkeit, per Brief oder Warenpost zu versenden. Wir empfehlen dennoch den Paketversand zu wählen. Zu Stoßzeiten oder Peaks leiden die günstigen Brief- und Warenpostsendungen als allererstes. Endkunden müssen mit immensen Verzögerungen in der Zustellung rechnen. Auch im Normalzustand verliert man so mindestens 1 bis 2 Werktage, wenn national versendet wird – im internationalen Versand dauert es in der Regel noch länger. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es essentiell, dass Online-Händler in Paketversandarten investieren.

Nachhaltigkeit im Verpackungsmaterial

Der größte CO₂-Emissionstreiber im E-Commerce ist das verbrauchte Verpackungsmaterial! 61% der Top-Händler verwenden zu große Verpackungsmaterialien und verschicken somit zu viel Luft. Mehr als die Hälfte verwenden Plastik in ihren Verpackungen und verzichten auf umweltfreundliches Material. Allein durch die Verwendung von umweltfreundlichem, 100% recyclebarem & FSC-zertifiziertem Verpackungsmaterial können Online-Händler besser als der Durchschnitt sein und gleichzeitig der Umwelt etwas Gutes tun.

Aber es geht heutzutage noch mehr! Der absolute Wettbewerbsvorteil für E-Commerce-Marken ist der Einsatz von automatisierten Verpackungsmaschinen. Diese scannen die bestellten Artikel und schneiden die Kartonage individuell und passgenau zu. Verpackungsmaschinen können im Durchschnitt 30 - 40% Verpackungsmaterial einsparen – Füllmaterial wird nicht benötigt. 

Klimaneutraler Versand

Eine weitere Möglichkeit, die Supply Chain zu dekarbonisieren, ist die Verwendung von klimaneutralen Versandoptionen wie z.B. DHL GoGreen oder GLS ClimateProtect. Es ist erschreckend, dass nur knapp ein Drittel der Top-Händler CO2-neutralen Versand anbieten, obwohl diese Optionen mit einem Aufpreis von lediglich 2 bis 3 Cent pro Paket verbunden sind.

Transparentes und proaktives Tracking

Die Übermittlung der Sendungsverfolgung gehört heutzutage glücklicherweise zum Standard. Im Durchschnitt wird der Trackinglink 7x angeklickt. So wird nicht nur der Kundenservice entlastet, sondern der Kunde ist rundum zufriedener.

Es gibt einen einfachen Trick, um Kunden über den aktuellen Status des Pakets zu informieren. Durch die Aktivierung der Paketankündigung bei dem jeweiligen Carrier wird dem Endkunden am Zustelltag ein genaues Zustellfenster kommuniziert. Aktuell bieten lediglich 40% der Top-Händler eine Paketankündigung an, obwohl es die Rate an Rückläufern, aufgrund nicht zugestellter Pakete, reduziert und gleichzeitig die positive Kundenerfahrung steigert.

Klarer Retourenprozess

Eine einfache Möglichkeit, die Kundenerfahrung zu verbessern, ist es, den Kunden über den Erhalt der Retoure zu informieren, sobald das Paket im Lager angekommen ist. Diesen Service bieten aktuell nur 14,1% der Top-Online-Händler an. Durch das Nutzen eines Retourenportals kann dieser Prozess super automatisiert werden. Der Retourenmitarbeiter scannt das Versandlabel bei Erhalt der Retoure und im Anschluss wird automatisch eine Nachricht an den Kunden rausgeschickt. Rückfragen über den Status sind somit hinfällig.


Über den Autor: 

Nuri Jusupow, Entrepreneur in Residence bei Zenfulfillment

Durch seine langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit mit E-Commerce Marken sowie industriespezifischem Logistikwissen bietet Nuri eine holistische Perspektive zur Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

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Geschrieben von Gastautor




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