Ob es sich um kleinere Blechschäden oder schwere Kollisionen handelt, die rechtlichen Folgen von Verkehrsunfällen können komplex und weitreichend sein. Darstellung eines Verkehrsunfalls mit vielen Beteiligten und rechtlichen Symbolen© Erstellt mit DALL-E

Um Licht ins Dunkel zu bringen, haben wir einen Experten befragt: Ulrich Hauk, Fachanwalt für Verkehrsrecht. Mit seiner langjährigen Erfahrung und Expertise gibt er einen umfassenden Einblick in die rechtlichen Aspekte von Verkehrsunfällen, teilt wichtige Tipps zur Schadensregulierung und Unfallabwicklung und erklärt, welche Rechte und Pflichten Unfallbeteiligte haben.

Häufige Fehler und richtiges Verhalten nach einem Verkehrsunfall

Ulrich, danke, dass du dir die Zeit nimmst und uns einen Einblick in deine Tätigkeit gewährst. Stell dich gerne nochmal kurz vor.

Ich bin jetzt seit 20 Jahren Rechtsanwalt und neben meiner Eigenschaft als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht seit 2010 auch Fachanwalt für Verkehrsrecht, was ich gerne als „Jugendsünde“ bezeichne, zumal der Bereich des Verkehrsrechts oft belächelt wird und natürlich mit meiner hauptsächlichen Tätigkeit im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht in keinerlei Zusammenhang steht. Im Rahmen des Verkehrsrechts bin ich mit der Bearbeitung von Unfallangelegenheiten und Bußgeldverfahren, aber auch mit strafrechtlichen Verfahren mit Bezug zum Straßenverkehr befasst.

Aus deiner Erfahrung heraus, wo liegen bereits in den ersten paar Augenblicken nach einem Verkehrsunfall die häufigsten Fehler? Wie kann und sollte man sich idealerweise verhalten?

Verständlicherweise ist man in den ersten Augenblicken nach einem Verkehrsunfall verwirrt und aufgeregt, was zu Fehlern führen kann. Die häufigsten Fehler, die ich als Rechtsanwalt im Nachhinein ausbügeln muss, sind:

  • Sofern man nicht betrunken ist oder den Unfall in grober Weise selbst verschuldet hat, sollte man die Polizei rufen, damit ein offizieller Unfallbericht erstellt und eine halbwegs professionelle Dokumentation ermöglicht wird. 
  • Daneben sollten Betroffene, ausnahmsweise gilt hier nicht, „weniger ist mehr“, selbst Beweise im Rahmen ihrer Möglichkeiten sichern. Viele vergessen, Fotos vom Unfallort, den Fahrzeugen und den Schäden zu machen oder die Kontaktdaten von Zeugen zu notieren. 
  • Auch wenn man sich körperlich nicht verletzt fühlt, ist es ratsam, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um mögliche Verletzungen auszuschließen und körperliche Schäden festzuhalten. 
  • Häufig empfiehlt es sich, außer es trifft zu und man hat Anstand, sich nicht voreilig zu Schuldzuweisungen hinreißen zu lassen, da dies die rechtliche Position beeinträchtigen kann – hier gilt wieder der Grundsatz „weniger ist mehr“.

Rechte nach einem Verkehrsunfall

Welche Informationen und Dokumente sind denn konkret wichtig, um den Schadenfall angemessen zu dokumentieren?

In der Regel sind an einem Verkehrsunfall zwei Personen beteiligt, die wiederum das Unfallgeschehen in diametraler Richtung schildern. Eigene Fehler im Straßenverkehr kommen ja quasi nur ganz selten vor ;) 

Um einen Schadensfall angemessen zu dokumentieren, sind daher verschiedene Informationen und Dokumente wichtig, um im Falle von rechtlichen Auseinandersetzungen oder Versicherungsansprüchen gut gerüstet zu sein.

  • Unfallbericht: Ein offizieller Unfallbericht von der Polizei, der alle relevanten Informationen zum Unfallgeschehen enthält.
  • Fotos und Videos: Bilder und Videos von der Unfallstelle, den beteiligten Fahrzeugen und den Schäden.
  • Persönliche Daten: Die Personalien aller beteiligten Personen sowie die Kontaktdaten von Zeugen sollten notiert werden.
  • Fahrzeugdaten: Informationen zu den beteiligten Fahrzeugen, einschließlich Kennzeichen, Fahrzeugtyp, Farbe und Modell.
  • Versicherungsinformationen: Die Versicherungsdaten aller beteiligten Fahrzeuge, einschließlich des Versicherungsunternehmens und der Versicherungsnummer.
  • Unfallskizze: Eine Skizze der Unfallstelle, die den genauen Ort des Zusammenstoßes, die Position der Fahrzeuge und andere relevante Details zeigt.
  • Ärztliche Unterlagen: Wenn Verletzungen vorliegen, sollten ärztliche Berichte und Behandlungsunterlagen gesammelt werden.
  • Kommunikation: Alle schriftlichen Kommunikationen, wie etwa E-Mails oder Briefe, die im Zusammenhang mit dem Unfallfall stehen, sollten aufbewahrt werden.

Für viele ist auch die Frage nach den Rechten im Falle eines Verkehrsunfalls unklar. Kannst du hier einen kurzen Überblick geben?

Bei einem Verkehrsunfall sind stets zwei Dinge zu trennen – die eigenen Ansprüche und die Ansprüche des Unfallgegners.

Um die eigenen Ansprüche durchzusetzen, müssen sich die Betroffenen selbst kümmern. Dazu gehören die Schadensersatzansprüche für Reparaturkosten, Wertminderung, Mietwagenkosten und Schmerzensgeld, aber auch weniger bekannte Ansprüche, wie der Ersatz des Haushaltsführungsschadens. Es ist wichtig, Beweise zu sichern und sich anwaltlichen Rat einzuholen, um die Ansprüche erfolgreich durchzusetzen.

Die Ansprüche des Unfallgegners reguliert die eigene Haftpflichtversicherung, die auch selbst entscheidet, ob sie die Ansprüche des Unfallgegners als berechtigt erachtet oder nicht und dann auch reguliert. Hier haben die Betroffenen selbst kaum Mitspracherecht.

Haftungsverteilung und häufige Missverständnisse

Du hast bereits erwähnt, dass die Wahrnehmung von der eigenen Schuld recht unterschiedlich ausfallen kann. Aber auch rechtlich gesehen ist die Frage nach der Mithaftung ein Buch mit sieben Siegeln. Gibt es eine Faustformel, wie die Haftung verteilt ist?  Wo treten bei Laien die meisten Missverständnisse auf?

Bei der Frage nach der Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall gibt es keine starre Faustformel, da jeder Fall individuell ist. Grundsätzlich wird das Verschulden, sofern es darauf überhaupt ankommt, nach den Umständen des Einzelfalls bewertet. In der Praxis spielen Faktoren wie Geschwindigkeit, Sichtverhältnisse, Verkehrsregeln und das Verhalten der Beteiligten eine Rolle. Sofern der Unfallhergang nicht aufgeklärt werden kann, wird eine sogenannte Haftungsteilung vorgenommen. 

Häufiges Missverständnis bei Laien ist, dass sie glauben, wenn sie nicht alleiniger Verursacher sind, keine Haftung tragen zu müssen. Doch auch bei einer Teilschuld kann die Haftung anteilig verteilt werden. Es ist immer ratsam, einen Fachanwalt für Verkehrsrecht hinzuzuziehen.

Es sind vornehmlich nicht die direkten Unfallbeteiligten, die im Streit liegen, sondern die jeweiligen Versicherungen, die auch oft mit Nachdruck agieren. Hast du einen finalen Tipp für das richtige Verhalten?

Selbstverständlich agieren hier die jeweiligen Versicherungen als Hauptakteure – letztlich sind auch sie es, die, mit Ausnahme der Höherstufung der Versicherungsprämie, die Schäden bezahlen müssen.

Auch hier ist wieder zu unterscheiden, ob man eigene Ansprüche geltend macht oder ein Interesse daran hat, dass die Ansprüche des Unfallgegners nicht reguliert werden. Hinsichtlich der Geltendmachung der eigenen Ansprüche ist die Dokumentation des tatsächlichen Unfallgeschehens von außerordentlicher Bedeutung, da bereits der Unfallhergang nahezu immer streitig ist. Sofern Sie Ihren eigenen Versicherer dazu bringen möchten, dass dieser nicht die Ansprüche Ihres Unfallgegners reguliert, müssen Sie Ihrem Versicherer zuarbeiten und letztlich die Sachverhaltsargumente in die Hand geben, die er benötigt, um die Ansprüche der Gegenseite abzuwehren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Rechtsanwalt Ulrich Hauk ist in der HB E-Commerce Rechtsanwaltsgesellschaft mbH tätig und auf die Bereiche des gewerblichen Rechtsschutzes, das Urheber- und Medienrecht sowie das Verkehrsrecht spezialisiert.

 
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Geschrieben von Yvonne Bachmann




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